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Individualbesteuerung in der Schweiz: Ständerat ebnet Weg für Kompromiss

Am Dienstagvormittag diskutierte der Ständerat im Rahmen der Sommersession über die Einführung der Individualbesteuerung. Im Zentrum der Debatte standen drei zentrale Streitpunkte zwischen Stände- und Nationalrat. Mit knapper Mehrheit stimmte der Ständerat schließlich dem Vorschlag des Nationalrats zu. Damit ist der Weg frei für die Schlussabstimmung am 20. Juni – ein enges Ergebnis bleibt dennoch möglich.

Kern der Diskussion: Individualbesteuerung und Gegenvorschlag des Bundesrats

Die Debatte drehte sich um den indirekten Gegenvorschlag des Bundesrats zur Initiative der FDP-Frauen «Für eine zivilstandsunabhängige Individualbesteuerung». Die Initiative fordert eine individuelle Besteuerung unabhängig vom Zivilstand und wird von FDP und linken Parteien unterstützt. Ablehnung kommt hingegen von SVP und Mitte.

Zwar konnte in vielen Punkten eine Einigung zwischen den Räten erzielt werden, bei wesentlichen Aspekten bestanden jedoch Differenzen. Mit der Zustimmung des Ständerats zum Nationalratsvorschlag liegt nun ein Kompromiss vor, dem beide Kammern zustimmen könnten.

Streitpunkt Kinderabzüge: Übertragbarkeit oder Erhöhung

Besonders umstritten war die Frage der Kinderabzüge. Eine Stunde lang diskutierten die Mitglieder des Ständerats über die Möglichkeit, Kinderabzüge von einem Elternteil auf den anderen zu übertragen. Die Mehrheit der Kommission sprach sich für die Übertragbarkeit aus, um zu verhindern, dass Abzüge verfallen, wenn ein Elternteil zu wenig verdient. Gleichzeitig wurde eine Reduktion des maximalen Abzugsbetrags von 12’000 auf 10’700 Franken vorgeschlagen, um Steuerausfälle zu begrenzen.

FDP-Ständerat Martin Schmid sah sich dabei in einem Dilemma: Obwohl er die Übertragbarkeit inhaltlich unterstützt, kündigte er seine Ablehnung an, um das Gesamtprojekt nicht zu gefährden. Die Kommissionsminderheit – vertreten durch SP-Ständerätin Eva Herzog – sprach sich gegen die Übertragbarkeit aus. Sie warnte vor hohen Steuerausfällen in Höhe von bis zu 130 Millionen Franken und einer erneuten steuerlichen Abhängigkeit der Partner. Die Alternative: eine nicht übertragbare, hälftige Erhöhung auf 12’000 Franken, wie vom National- und Bundesrat vorgeschlagen.

Entscheidung durch Stichentscheid: Nationalratsvorschlag setzt sich durch

Bei der entscheidenden Abstimmung kam es zum Patt: 22 zu 22 Stimmen. Ratspräsident Andrea Caroni (FDP) sprach das entscheidende Votum – zugunsten der Minderheit und damit für den Vorschlag des Nationalrats.

Steuertarif: Kompromiss bei Ausfällen in Millionenhöhe

Ein weiterer zentraler Punkt war der Steuertarif. Der Vorschlag des Bundesrats hätte Ausfälle von rund 870 Millionen Franken bedeutet. Der Ständerat schlug im März eine kostensparendere Variante mit 380 Millionen vor. Der Nationalrat entwickelte daraufhin einen Kompromiss mit Steuerausfällen in Höhe von rund 600 Millionen Franken. Auch hier entschied sich der Ständerat – erneut mit einer knappen Mehrheit von 23 zu 22 Stimmen – für den Vorschlag des Nationalrats.

Verfahrensbestimmungen: Kein Einsichtsrecht für Ehegatten

Abschließend diskutierte der Ständerat über verfahrensrechtliche Fragen. Der Nationalrat sprach sich gegen gegenseitige Einsichts- und Einspracherechte von Ehepartnern in Steuerdossiers aus – im Gegensatz zur ursprünglichen Position des Ständerats. Nach intensiver Beratung folgte der Ständerat schließlich auch hier dem Nationalrat mit einem weiteren Stichentscheid.

Weg zur Schlussabstimmung frei – Referendum möglich

Mit dem Entscheid des Ständerats liegt nun ein breit abgestützter Kompromiss zwischen beiden Räten vor. In der Schlussabstimmung am 20. Juni wird sich zeigen, ob das Parlament der Individualbesteuerung zustimmt. Kommt es zur Ablehnung, wird die Volksinitiative der FDP-Frauen eingereicht. Wird die Vorlage hingegen angenommen, ist mit einem Referendum von SVP und Mitte zu rechnen. Das letzte Wort wird in jedem Fall das Schweizer Volk haben.